Die anhaltenden geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China haben spürbare Auswirkungen auf globale Märkte – auch auf Branchen, die auf den ersten Blick wenig mit internationaler Handelspolitik zu tun haben. Ein überraschendes Beispiel: der Brettspielmarkt. Was wie ein Nischensegment wirkt, zeigt sich bei näherer Betrachtung als hochgradig abhängig von globalisierten Lieferketten – und damit besonders anfällig für Zölle und Handelsbarrieren.
Produktionsabhängigkeit: Warum Brettspiele oft aus China kommen
Ein erheblicher Teil der weltweiten Brettspielproduktion findet in China statt. Besonders komplexe Spiele mit Miniaturen, Spielkarten oder hochwertigem Zubehör werden in asiatischen Spezialbetrieben gefertigt. Branchenkenner gehen davon aus, dass rund 50 Prozent aller weltweit produzierten Brettspiele aus chinesischen Fabriken stammen.
Diese starke Abhängigkeit von chinesischen Produktionsstätten wird dann zum Risiko, wenn Einfuhrzölle und politische Spannungen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern. Bereits während Donald Trumps erster Amtszeit sorgten Zölle von bis zu 25 Prozent auf Spielwaren aus China für Verunsicherung in der Branche. Der US-Markt, mit einem geschätzten Umsatz von rund 3,5 Milliarden US-Dollar jährlich, ist einer der wichtigsten Absatzmärkte für Brettspiele weltweit. Einbrechende Exporte in die USA wirken sich dadurch auch indirekt auf den europäischen Markt aus.
Neue Zölle 2025: Der Handelskonflikt verschärft sich
Im Frühjahr 2025 eskalierte der Konflikt erneut: Die US-Regierung verhängte Strafzölle von bis zu 145 Prozent auf chinesische Produkte, darunter auch Spielwaren und Brettspiele. Für viele chinesische Hersteller bedeutet das den Verlust des US-Markts – mit der Folge, dass sie sich nun verstärkt auf Europa als Absatzregion konzentrieren.
Was für den europäischen Handel zunächst nach einer Chance aussieht, entpuppt sich schnell als Herausforderung: Der Markt wird mit günstigen Importspielen geflutet, während gleichzeitig die Preise für Vorprodukte, Logistik und Transport steigen. Die Abhängigkeit europäischer Verlage von globalen Lieferketten führt zu steigenden Produktionskosten – und das bei sinkender Konsumlaune.
Zölle auf Brettspiele: Auswirkungen auf Verlage und Konsumenten
Die Einführung neuer Zölle hat direkte Konsequenzen für Verlage, insbesondere kleinere Studios ohne eigene Produktionsstätten. Produktionskosten steigen, Lieferzeiten verlängern sich, und auch der Verkaufspreis muss angepasst werden. Das trifft besonders europäische Konsumenten, die mit höheren Brettspielpreisen rechnen müssen.
Bereits zur Spiel 24 warnte Hermann Hutter, Vorsitzender des Branchenverbands Spieleverlage e.V., dass wirtschaftliche Unsicherheit und sinkende Konsumbereitschaft der Branche zusetzen. Sollte sich die Zollpolitik weiter verschärfen, droht eine zusätzliche Belastung für Verlage, Handel und Spieler.
Kickstarter-Kampagnen und Crowdfunding-Projekte unter Druck
Auch die Szene der Crowdfunding-Brettspiele, etwa auf Plattformen wie Kickstarter, leidet unter der aktuellen Entwicklung. Projektstarter müssen mit höheren Produktions- und Versandkosten kalkulieren, was zu Verzögerungen, abgespeckten Spielinhalten oder höheren Preisen für Backer führen kann. Auf Foren wie Unknowns.de berichten Nutzer bereits von deutlich spürbaren Folgen durch geänderte Zollbestimmungen.
Viele Brettspielverlage reagieren mit einer Verlagerung der Produktion nach Europa. Doch das ist leichter gesagt als getan: Die Herstellung von Karten, Würfeln oder Figuren ist in Europa deutlich teurer, und spezialisierte Anbieter sind rar. Zudem erschweren steigende Kosten für Papier, Druck und Personal die Umsetzung. Vor allem bei sprachneutralen Spielen können große Auflagen in Kooperation mit internationalen Partnern einen Kostenvorteil bringen – doch auch diese Strategie gerät durch die globale Preisentwicklung unter Druck.
Branche fordert Ausnahmen von Strafzöllen
Die Brettspielbranche steht Zöllen auf Spielwaren kritisch gegenüber. In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Toys Association (USA) sowie 18 internationale Verbände – darunter der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) – eine Ausnahme für Spielwaren von den Strafzöllen. Der Sektor sei kreativ, innovationsgetrieben sowie von kleinen Unternehmen geprägt und solle nicht zum Opfer geopolitischer Konflikte werden.
Zölle auf Brettspiele, steigende Kosten und instabile Lieferketten werden die Branche auch in Zukunft fordern. Für Verlage und Konsumenten bedeutet das: mehr Unsicherheit, höhere Preise – und die Notwendigkeit neuer Strategien für eine sich verändernde Welt. Wie sich der Handelskonflikt zwischen China und den USA weiterentwickelt, bleibt offen. Die EU erwägt Gegenzölle auf US-Produkte, was die Situation zusätzlich verschärfen könnte. Klar ist: Brettspiele sind längst Teil der globalisierten Wirtschaft – und damit auch Spielball internationaler Handelspolitik.
Grafik: © Spieledorf.net